Um sich einen Feind vom Hals zu halten, baut man ein unüberwindbares Hindernis oder man bringt Ihn um. Letzteres hat immer schon zu viele Opfer auf beiden Seiten gekostet. Wir haben uns in der Medizin im 20. Jahrhundert immer mehr auf den Angriff gegen Krankheiten spezialisiert (Hygiene, Desinfektion, Antibiose…) aber dabei auf die wirksame Verteidigung gegen Krankheit vergessen.
Der langjährig gehegte Gedanke durch extreme Reinlichkeit bis hin zur Sterilität gesund zu bleiben hat sich gerade in letzter Zeit, wie viele andere Gesundheitsideale als falsch erwiesen. Die damit verbundene deutliche Beeinflussung unserer Schutzbarrieren, führte zu einer Vielzahl sogenannter neuer Erkrankungen, die häufig chronisch verlaufen und durch eine lückenhafte Grenze unseres Organismus gegenüber der Außenwelt bedingt ist. Gerade COVID19 zeigt uns, dass das rasche Schließen von Grenzen im Makrokosmus (Staatsebene) als auch im Mikrokosmus (Schutzkleidung, Abstand, Kontakteinschränkungen) sich als eine der effektivsten Strategien gegen eine solche Bedrohung erweist. Vergessen haben wir auch, dass unser Körper effektive Grenzen gegen solche Bedrohungen besitzt. Das sind unsere Haut, unser Darm und unsere Lunge (wie übrigens auch die Konjunktiven und in weiterer Folge Gefäßendothelien und sämtliche, Hohlorgane auskleidenden Endothelien. Diese besitzen einen typischen Aufbau aus dichten Zellreihen mit Schutzschleim (die Haut mit verhornendem Epithel als zusätzlichen mechanischen Schutz) und einer ausreichenden Anzahl von Mikroorganismen, die durch Konkurrenzverhalten eine erste Verteidigungsphalanx bilden. Fälschlicherweise haben wir bis vor kurzen gerade diese Verteidigungsstrategie der Natur als Feind angesehen. Aber Mikroorganismen (meist Bakterien aber auch Viren) stellen die erste Schutzbarriere zur Außenwelt dar. Dieses sogenannte Mikrobiom ist essentiell für unsere Abwehr gegenüber Krankheiten. Übermäßige, fast religiöse Hygienestrategien, Kosmetik, rigorose Desinfektion, falsch indizierte Antibiose und täglicher Stress führen zu einem Reduktion des Mikrobioms, Veränderung der Schleimschicht in dem dieses Mikrobiom sich aufhält und zum auseinanderweichen der basalen Zellschicht unter Auflösen der „tight junctions“ und somit Zusammenbrechen der Barrierefunktion. Wenn nun ein Fremdbakterium oder ein Virus die defekte Barriere durchbricht trifft dieses direkt auf unser Immunsystem. Dieses ist ob der fehlenden Barriere überfordert und es kommt folglich zu einer überschießenden Reaktion unseres Immunsystems. Daraus entstehen chronische Erkrankungen der Haut, des Darmes und der Lunge (chronisches Ulcus, CED, COPD). Aber auch die Entstehung anderer sogenannter chronischen Erkrankungen liegt in diesem Mechanismus begründet. Genau hier scheint der große Angriffspunkt von COVID19 zu liegen. Es kommt nämlich in der Folge des COVID19-Angriffes zu einer massiven Entzündungsreaktion, die oft auch mit Zerstörung von körpereigener Substanz einhergeht. Wenn sich solche Vorgänge in unseren Lungenbläschen abspielen ist es kein Wunder, dass es durch das Zerstören von Lungengewebe zu akuten Atembeschwerden kommt. Aber auch Gefäßendothelien können davon betroffen sein und zu Organversagen führen. Die erste Reaktion auf die neue Gefahr war das Verabreichen von Antibiotika (die bei viralen Erkrankungen nicht helfen) und Überdruckbeatmung (Logischerweise das erste Konzept bei akuter Atemnot, aber offensichtlich im Nachhinein auch nicht immer zielführend) Weitere Therapiestrategien mit sogenannten Malariamitteln mussten nach anfänglichen scheinbaren Erfolgen letztendlich wieder fallengelassen werden. Es hat sich generell gezeigt, dass wir unsere alten Therapie-Schemata bei allen chronischen Erkrankungen verlassen müssen und gehen heute ganz andere Wege.
Die frühen Therapieregime führten zu schlechten Remissionsraten, obwohl sie relativ aggressiv in ihrer Wirkung waren. Wir mussten sowohl bei der Behandlung der chronischen Wunden als auch der CED wie wahrscheinlich auch der COPD die Behandlungsstrategien ändern und mit probiotischen Strategien (Stuhltransplantation) sowie immunmodulierenden Therapien (Biologika) die Barrieren wieder aufbauen und das Immunsystem im Zaum zu halten beziehungsweise nicht zu überaktivieren. Aggressive antimikrobielle Therapien und Flächendesinfektion führten zur Ausbildung hochgefährlicher resistenter Keime in unseren Behandlungseinheiten die wiederum offensichtlich nur mit speziellen Anzüchtungen von Konkurrenzkeimen in den Griff zu bekommen sind. Und siehe da: Wenn man die Therapieschemata (soweit veröffentlicht) gegen COVID 19 durchforstet, tauchen diese modulierenden Therapieansätze, wenn auch noch etwas hinten gereiht, bereits auf. Denn Angriff ist nicht immer die beste Verteidigung.
Warum hat man wohl die Chinesische Mauer gebaut?